Rechtsstreit, Foto: advogadoaguilar/Pixabay
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Zweiter Kreis-Beigeordneter: Wurde der Beste abgelehnt?

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Bis Donnerstag muss sich Hartmut A. Grams (SPD), Anwalt aus Beelitz-Heilstätten, entscheiden, ob er Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam einlegt, das die Ernennung von Christoph Löwer (CDU) aus Stahnsdorf zum zweiten Beigeordneten für Potsdam-Mittelmark erlaubt. 

Dieser wurde im Juni zwar auf Vorschlag von Landrat Marko Köhler (SPD) vom Kreistag mit großer Mehrheit gewählt, doch Grams, der Zweitplatzierte im Auswahlverfahren, ist nicht nur davon überzeugt, deutlich besser qualifiziert zu sein, sondern auch davon, dass das Verfahren auf seinen Mitbewerber zugeschnitten war. Schon bei der Wahl Köhlers zum Amtsleiter von Brück hatte Grams erklärt, er selbst wäre der am besten qualifizierte Kandidat gewesen, und Köhler, der ebenfalls der SPD angehört, sei fachlich nicht geeignet.

“Absurde” Matrix und “Scheinauswertung” 

Auch bei der jetzigen Klage ging es in erster Linie um die Qualifikation der Bewerber. Fünf Kandidaten schafften es in die Auswahl zum zweiten Beigeordneten für Potsdam- Mittelmark, vier erschienen zum Vorstellungsgespräch. Am Ende wurde über eine Bewertungsmatrix entschieden, die von Grams als „absurd“ und „Scheinauswertung“ bezeichnet wird. 

Jeweils fünf Punkte konnten dabei für die einzelnen Kategorien gesammelt werden. Sowohl Grams als auch Löwer erhielten für ihre „Kenntnisse im Bereich der öffentlichen Verwaltung“ sowie die „mehrjährige Führungserfahrung und Budgetverantwortung“ jeweils vier Punkte – doch am Ende kommt Grams auf nur 32, Löwer dagegen auf 46 Punkte, die beiden anderen verbliebenen Bewerber erhielten 29 und 21 Punkte.

Wo die Punkteunterschiede herkommen

Die Unterschiede finden sich im Vorstellungsgespräch, das von Landrat Marko Köhler bewertet wurde: So schnitt Löwer etwa bei der Präsentation mit der Höchstzahl ab, Grams musste sich mit vier Punkten zufriedengeben. Hier kritisiert der Anwalt, dass eine 15-minütige Präsentation über seine Erfahrungen und Kompetenzen im Bereich Landwirtschaft oder Veterinärwesen verlangt wurde. „Bezeichnenderweise ist der später ausgewählte Bewerber Agraringenieur“, so Grams in seinem Eilantrag, in dem er auch bestreitet, dass die Präsentation seines Konkurrenten die bessere gewesen sei.

 

Auch bei den nicht-fachlichen Fragen gab es einen Punkteunterschied, immer zugunsten Löwers. Bewertet wurden die Antworten auf „Was verbindet Sie mit Potsdam- Mittelmark“, „Herausforderung Wirtschaftsförderung“, „politische Gremienarbeit“, „Cyberattacke“, „Was soll mit Ihrem Namen verbunden werden“, „MoVe PM“ und „gute Führung“. Hier klagt Grams über die „Allerweltsfragen“. 

Anwesende seien uninteressiert gewesen

So habe er auf die Frage, was ihn mit dem Landkreis verbinde, sinngemäß mit schöne Landschaften, Nähe zu Potsdam und Berlin, Heimat, Ort des Aufwachsens seiner Kinder geantwortet. „Warum wird das schlechter bepunktet als irgendeine andere Antwort?“, fragt er das Gericht und vermutet eine Taktik: Er geht in seinem Antrag davon aus, Unintedas Verfahren sei zielgerichtet gestaltet und grob rechtswidrig gewesen.

Er wirft außerdem den beim Vorstellungsgespräch anwesenden Kreistagsabgeordneten, dem ersten Beigeordneten, Vertretern des Personalrates und der Personalabteilung sowie der Gleichstellungsbeauftragten vor, desinteressiert gewesen zu sein („guckten, als müsse die lästige Pflichtveranstaltung nur abgewickelt werden“) und zum Teil keine Fragen gestellt zu haben. Noch am selben Tag habe er die Absage erhalten und umgehend Akteneinsicht beantragt, so Grams.

“Schlechtere Qualifikation soll verdeckt werden”

Aus den ihm zugesandten Unterlagen ergebe sich, dass keine Zeugnisse einbezogen und seine Qualifikationen nicht vollständig erfasst worden seien, auch sein Lebenslauf sei nicht ausgewertet worden. In seinem Eilantrag belegte er seine Befähigung in mehreren der Fachbereiche – Gesundheit, Recht, Bauen und Umwelt –, für die der künftige zweite Beigeordnete verantwortlich sein wird. Die Bereiche Landwirtschaft, Veterinärwesen, Kataster und Vermessung gehören ebenfalls zu den Aufgaben. Zudem wies er Verwaltungserfahrung nach. Daraus schließt Grams, der auch Mediator als eine seiner Qualifikationen angibt: „Es ist davon auszugehen, dass der ausgewählte Konkurrent schlechter qualifiziert ist, was verdeckt werden soll.“

Der Erstplatzierte Christoph Löwer ist promovierter Agrarwissenschaftler und arbeitet seit mehr als vier Jahren als Leiter des Verbindungsbüros der Bundesgesellschaft für Endlagerung, die zum Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums zählt. Davor war er Bundesgeschäftsführer und Mitglied des Vorstandes des Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie, wo er nach eigenen Angaben für 25.000 Personen Tarifverträge ausgehandelt hat.

“Punktebewertungen sind nicht nachvollziehbar”

Grams ist davon überzeugt, dass er selbst „selbstverständlich“ die volle Punktezahl bei der fachlichen Eignung hätte erhalten müssen, doch „die Punktebewertungen sind zudem ohnehin nicht nachvollziehbar“, so der Anwalt in seinem Antrag. Er argumentiert: „Eine Präsentation und einige Fragen können nicht den Ausschlag geben“, und sieht hier die Möglichkeit eines Verfahrensfehlers. Auch ist er der Meinung, dass das Anforderungsprofil des zweiten Beigeordneten aufgrund dessen Aufgaben unbedingt juristisch geprägt sein müsse. Das ist aber lediglich für den ersten Beigeordneten zwingend der Fall.

Neben der fachlichen Qualifikation kommt es bei der Entscheidung für einen kommunalen Wahlbeamten auch auf ein enges Vertrauensverhältnis zum Landrat und zum Kreistag an, auch weil er vom Kreistag auf Vorschlag des Landrates gewählt und jederzeit von dem Gremium wieder abgewählt werden kann, wenn das Vertrauen erschüttert ist. Hier treffen Bestenauswahl und die geheime Wahl aufeinander. 

Vertrauensvolle Zusammenarbeit ausgeschlossen

Das bestätigt auch der Beschluss des Gerichtes, das zu dem Schluss kam, dass Grams in seiner Begründung versucht habe, „den Landrat als fachlich wenig qualifiziert beziehungsweise unqualifiziert, unprofessionell, überfordert, selbstherrlich und ähnlich verächtlich zu machen“. Vor diesem Hintergrund sei ausgeschlossen, „dass der Landrat bei einer geänderten Bewertung noch zu der Einschätzung gelangen könnte, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Antragsteller sei möglich“.

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Doch Grams konzentriert sich auf etwas anderes: „Es bedarf keiner Darlegung, dass ein promovierter Volljurist mit der Erfahrung des Antragstellers in der Lenkung und Leitung eines Verwaltungsbereichs einem Agraringenieur weit überlegen ist.“ Als Erklärungsversuch, weshalb Köhler ihn nicht zur Wahl vorgeschlagen hat, bietet er: „Über Motive kann hier spekuliert werden. Heutzutage ist zu beobachten, dass jemand, der wenig qualifiziert ist, niemanden neben sich haben möchte, der überlegen ist.“ Er spricht von einer Landkreis-Verwaltung, die im Prinzip von Laien geleitet werde. 

Schon einmal Vorwürfe gegen Köhler

Damit bleibt er bei seinen Vorbehalten gegenüber dem jetzigen Landrat, die er schon 2017 geäußert hatte. Damals waren beide Männer unter den Bewerbern zum Brücker Amtsdirektor. Als Köhler als Sieger hervorging, erklärte Grams, Köhler sei objektiv fachlich nicht geeignet. Er selbst sei der beste Bewerber gewesen. Heute sagt er, aus privaten Gründen habe er damals auf gerichtliche Schritte verzichtet.

Als er jetzt aber von seinem früheren Konkurrenten beim Vorstellungsgespräch mit „Wir kennen uns ja schon“ begrüßt worden sei, habe er gewusst, wo es hingeht. Wenn er sich jetzt gegen eine Beschwerde gegen das Urteil des Potsdamer Gerichts entscheiden sollte, das seinen Eilantrag abgelehnt hat, dann nur, weil er das finanzielle Risiko nicht eingehen wolle.